Mittwoch, 18. März 2009

Ruandas Vergangenheit

Ich habe wirklich das Beduerfnis noch mehr ueber Ruanda zu schreiben. Bisher habe ich euch ja eher verschont mit irgendwelchen historischen oder politischen Abhandlungen. Aber was ich hier erlebe, ist einfach unglaublich. Wer den Film "Hotel Ruanda" gesehen hat, hat vielleicht ein etwaiges Bild. Ich weiss aber noch, dass mir im Film alles sehr weit weg erschien, und unglaublich, eben doch eher nur eine Geschichte, die erzaehlt wird. Jetzt hier am Ort des Grauens von vor 15 Jahren zu sein ist unvorstellbar und beeindruckend zugleich. Zur Geschichte: Im April 1994 begann hier ein Voelkermord der Hutus an den Tutsis, der in 100 Tagen des Wahnsinns ueber eine Millionen Tote gefordert hat. Schon im Vorfeld gab es Morde, Menschen die einfach verschwunden sind und vor allem Schikanen an den Tutsis. Angelegt wurde diese wahnsinnige Unterscheidung zwischen den Staemmen eigentlich erst richtig von der belgischen Kolonialmacht. Die richtete Paesse ein, in denen der Stamm vermerkt war, wobei die Einteilung nach Bestand an Kuehen festgelegt wurde. Ich glaube mich zu erinnern: mehr als 17 Kuehe: Tutsi, also reich und mit Fuehrungsanspruch; weniger als 17 Kuehe, Hutu, und damit minderwertig. Die Belgier habe das Prinzip "Teile und Herrsche" sehr geschickt ausgenutzt. Fuer diese Diskriminierung haben sich die Hutus dann mit Erhalt der Unabhaengigkeit geraecht. Ueber Jahrzehnte waehrte ein Buergerkrieg, der in den 100 Tagen des Wahnsinns 1994 endete. Nachbarn habe sich gegenseitig abgeschlachtet, meist nur mit Knueppeln oder Buschmessern bewaffnet. Menschen, vorallem auch Frauen und Kinder, wurden gefoltert, verstuemmelt, vergewaltigt und die Leichen blieben einfach in den Strasse, auf den Feldern, in den Haeusern liegen. Tausende, die sich in Kirchen gefluechtet hatten, wurden dort teilweise von den Geistlichen persoenlich verraten und die franzoesische Armee, die den Auftrag der Friedenssicherung hatte, hat auch eine ueberaus dubiose Rolle gespielt und viele Tutsis an die Hutus ausgeliefert. Ueber dem ganzen Land lag ein Geruch der Verwesung. Zu den geschaetzten 1,4 Millionen Opfern kamen zwei Millionen Fluechtlinge, die in die Nachbarlaender stroemten und in den Auffanglagern litten (und dort weiter instrumentalisiert wurden fuer den Rassenwahn.) Die Frauen wurden teilweise gezielt vergewaltigt, und zwar bevorzugt von HIV-positiven Anhaengern der Miliz. Aus diesen Greuelakten sind unzaehlige Kinder entstanden - und natuerlich auch ein verschaerftes HIV-Problem. Heute sieht man viele verstuemmelte Menschen in den Strassen, denen Haende, Arme oder Beine fehlen. Und sie sind teilweise sehr jung, man kann sich vorstellen, dass sie den Alptraum als Kinder erlebt haben. Mein Kontaktmensch in Ruhengeri, der mich zu den Gorillas gebracht hat, war gerne bereit mir seine eigene Geschichte zu erzaehlen und ich war sehr beeindruckt von seiner Offenheit. Ich hatte den Eindruck, dass es ihm wichtig ist, ueber die Geschehnisse und ueber seine Erfahrungen zu berichten. Hobbard hat seine Mutter und zwei Brueder, darunter sein Zwillingsbruder, bei dem Voelkermord verloren. Er war damals zwoelf Jahre und konnte mit seiner 10jaehrigen Schwester nach Uganda fliehen, wo er uber zwei Jahre in Fluechtlingslagern verbracht hat, ohne zu wissen, was mit seiner Familie ist. Zum Glueck hatte er nichts von dem mitbekommen, was mit seiner Familie beschehen ist. Seine grosse Schwester, die Zeuge des Mordes an ihrer Mutter wurde, leidet heute noch enorm an den Folgen und ist psychisch sehr instabil, besonders wenn der Jahrestag im April naht. Sein Vater wurde so schwer verletzt, dass er zwar den Voelkermord ueberlebt, aber doch fuenf Jahre spaeter an den Folgen seiner Verletzungen gestorben ist. Ich war Hobbard sehr dankbar fuer die intensiven Gespraeche und die Offenheit. In den Strassen trifft man einige mehr oder wenig Verrueckte und man kann sich gut vorstellen, dass sie auf Grund des Erlebten wahrscheinlich einfach den Verstand verloren haben. Gerade heute ist mir einer nachgerannt, wollte unbedingt mich begruessen und anfassen, und dann natuerlich Geld. Ein bisschen mulmig war mir da schon, aber mir wurde gleich von allen Seiten geholfen und er wurde weggeschickt. Das ist es eben, was mir am unglaublichsten erscheint, dass die Menschen hier so offen und hilfsbereit, so friedfertig und zivilisiert wirken, dass man gar nicht glauben kann, dass wirklich passiert ist, was ich hier so ein bisschen beschreibe. Es gibt in Kigali ein ausgezeichnetes Museum, dass an den Voelkermord in Ruanda(und an andere des letzten Jahrhunderts) erinnert und ueberall im Land gibt es Gedenkstaetten. Die Regierung, die seit dem Voelkermord von Paul Kagame angefuehrt wird und sehr stabil ist, hat von Anfang an ganz konsequent auf Verstaendigung und Aussoehnung gesetzt und das ganz offensichtlich mit grossem Erfolg. Es gibt nur noch Ruandaer, keine Hutus oder Tutsis mehr und das scheint sogar gut zu funktionieren. Die Unterscheidung ist quasi tabuisiert, obwohl ich mich viel dabei ertappe, dass ich versuche Merkmale des einen oder anderen Stammes in den Menschen zu erkennen. Und damit beginnt ja der Wahnsinn! Die international Gemeinschaft, die straeflicherweise die Augen verschlossen hat vor dem, was sich da 1994 sehr offensichtlich angebahnt hat und auf das sie auch aufmerksam gemacht wurde, teilweise mit grosser Dringlichkeit, schickt voller schlechtem Gewissen nun viele Gelder ins Land, so dass es Ruanda heute wirklich gut geht. Wie ich schon erwaehnt habe, hat die Hauptstadt Kigali einen sehr hohen Standard, den hoechsten, den ich auf meiner Reise bisher (mit Ausnahme in Suedafrika) erlebt habe. Auf dem Land ist das Bild noch eher afrikanisch, aber den Menschen geht es gut und bis auf die hoechsten Bergesspitzen wird das Land bebaut. Auf den steilsten Haengen finden sich Felder und alle Menschen scheinen staendig zu arbeiten, waehrend man im restlichen von mir bereisten Afrika immer sehr viele Menschen eher im Schatten liegen sieht oder einfach Baustellen, an denen zwar 20 Menschen herumstehen, aber keiner irgendetwas tut. Hier wird sichtlich hart gearbeitet. So, puh, das war jetzt richtig anstrengend. Und sicherlich koennte ich noch viel mehr schreiben, aber das soll als erster Eindruck reichen. Ich will ja nicht langweilen oder bildungsprotzen... Ach ja, und heute habe ich mein Handy verloren und jetzt sucht fast die ganze Stadt das Handy! Ich habe zwar wenig Hoffnung, zumal meine Nummer keinen Anschluss hat, also jemand das Handy gefunden hat. Aber einen Strassenjungen gibt es noch, der mir versprochen hat, eventuell bis morgen das Handy zu bringen. Er hat "Kontakte". So erlebe ich immer irgendwas und das meiste eben, wenn mir Missgeschicke passieren :-) Liebe Gruesse aus Gisenyi am Kivu-See.

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